Auf den folgenden Seiten geben wir einen Überblick über die bisherigen Aktivitäten des Projekts "Konstruktive Arbeitslosigkeit" (Einleitungsphase Dezember 2004 – April 2005, Hauptphase April 2005 – April 2006), und einen Ausblick darüber, wie wir das Projekt in der Zukunft weiterentwickeln wollen.

Die Ausgangsüberlegung war, gemeinsam mit den Betroffenen,

1. erwerbsarbeitslosen Grazer- und SteirerInnen eine Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch zu bieten,

2. anhand deren Erfahrungen und Problemlagen sowohl Lösungsansätze zu entwickeln, als auch

3. durch Öffentlichkeitsarbeit auf konkrete Probleme aufmerksam zu machen.

In einer Selbsthilfegruppe (Grazer Stammtisch für Erwerbs-Arbeitslose), die wir bei der Abschlussveranstaltung des EU-Projektes b.e.a.m.s. (Träger: SÖB-Verband) am 16.12.2004 im Grazer Kunsthaus ins Leben gerufen haben, können seither Betroffene miteinander ins Gespräch kommen, die Erfahrung von Vereinzelung überwinden, Informationen austauschen, sich gegenseitig unterstützen:

 

GRAZER STAMMTISCH FÜR ERWERBS-ARBEITSLOSE (Selbsthilfegruppe):

Seit über einem Jahr (Dezember 2004) findet nun dieser von uns initiierte Stammtisch in regelmäßigen Abständen (14-tägig, jeweils donnerstags) im Café Palaver in der Griesgasse 8 statt. Hauptsächlich durch regelmäßige Ankündigungen in Medien (Kleine, Krone, Megaphon, Grazer Stadtblatt) sowie mittels Flyern, die wir in Absprache mit dem Landesgeschäftsführer Karl-Heinz Snobe in allen AMS-Zweigstellen steiermarkweit auflegen dürfen, haben bisher insgesamt über 50 Menschen den Stammtisch besucht, teilweise über lange Zeit. Die TeilnehmerInnen sind unterschiedlichsten Alters und sozialer Herkunft, unterschiedlicher Ausbildung (HilfsarbeiterIn bis AkademikerIn) und die (Hinter-)Gründe für die Arbeitslosigkeit sind vielfältig: Behinderung, Alter, keine abgeschlossene oder eine am Markt nicht nachgefragte Ausbildung, kritische Einstellung gegenüber den Anforderungen des Arbeitsmarktes etc.

Themen und Bedürfnisse der Gruppe (Zusammenfassung):

Einzel- und Erst-BERATUNG:

Mit Hilfe des Bezirksrats von Gries konnten wir parallel eine kostenlose Einzel- und Erst-Beratung für und von(!) arbeitslosen Menschen rund um die vielen Probleme im Zusammenhang mit der (zunehmenden) Arbeitslosigkeit organisieren. Angesichts der vielen Arbeitslosen und der wenigen offenen Stellen müssen auch alternative Wege – jenseits von Jobvermittlung, Qualifizierungsmaßnahmen und Bewerbungstraining – beschritten werden. Im Gedanken der Selbsthilfe unterstützen sich Erwerbslose gegenseitig in ihrem Alltag. Darüber hinaus werden konkrete, brachliegende Beratungskompetenzen, erworben teils durch Qualifikationen, teils durch die – wiederholte – Betroffenheit der Arbeitslosen selbst, genützt.

Die Beratung soll in erster Linie darüber informieren, welche Möglichkeiten es für die Betroffenen gibt, also eine erste Anlaufstelle, die zu den bereits vorhandenen Stellen und Institutionen weiterverweist. (KEINE Parallel- oder Konkurrenzstruktur zu bereits bestehenden Beratungen!) Die mannigfaltigen Problembereiche reichen von finanziellen Problemen bis zum verloren gegangen Selbstvertrauen oder –wert, von Problemen in Beziehung und Privatleben bis zu jenen mit dem Arbeitsamt (AMS).

Die Beratung ist erklärtermaßen vertraulich und parteiisch, wie etwa auch vom Arzt/Ärztin, Rechts- oder SteuerberaterIn: Denn wenn man bereits bei der Schilderung von Problemen Konsequenzen fürchten muss, behindert dies eine umfassende Beratung bzw. verhindert deren Inanspruchnahme. Vertraulichkeit und Anonymität sind selbstverständlich und es soll die für den oder die BetroffneN jeweils vorteilhafteste Lösung gefunden werden. Da es speziell für Probleme mit dem AMS keine unabhängige Beschwerdestelle gibt (sondern lediglich den Ombudsmann innerhalb der Institution und andere, wie die Arbeiterkammer, nur für Teilbereiche), macht eine Erstberatung, die klar auf Seiten der Betroffenen Arbeitslosen steht, dringlich!

Durch die Gespräche in der Selbsthilfegruppe und die dort angesprochenen Themen und Problematiken, sowie durch die Vernetzung mit anderen österreichischen Arbeitsloseninitiativen und schließlich durch eigene Erfahrungen und Recherchen haben wir viel an Informationen gesammelt und aufbereitet, die wir auch in Einzelgesprächen an Betroffene weitergeben.

Ankündigung: regelmäßig in Medien (Kleine, Krone, Megaphon, Grazer Stadtblatt) sowie mittels Flyern im AMS-Graz, nach Absprache mit Helmut Pichler. (Landesgeschäftsführer Karl-Heinz Snobe untersagte uns dies übrigens steiermarkweit.) Durch eine eigene Handy-Nummer bieten wir ununterbrochene Erreichbarkeit (persönlich oder mailbox).

Das Beratungsangebot wurde bisher persönlich von 19 Personen, teilweise mit mehrmaliger Konsultation (teilweise zu verschiedenen Problemen) genutzt. Das waren eindeutig weniger als – schon in der Anfangszeit – erwartet. Da wir aber – auch durch unsre bundesweite Kommunikation mit Arbeitslosen(initiativen) – wissen, wieviel Beratungsbedarf (durch eine behörden-unabhängige Stelle) besteht, erklären wir uns dies dadurch, (noch) nicht genug Bekanntheit erreicht zu haben.

VERNETZUNG/Lobby für Erwerbs-Arbeitslose

Der erste Kontakt mit anderen österreichischen Initiativen fand im Rahmen der Armutskonferenz in Salzburg statt. Dort wurde am 29. November 2004 der Verein "ArbeitslosensprecherIn" als bundesweiter Zusammenschluss der österreichischen Erwerbsarbeitslosen-Initiativen gegründet.

Er umfasst mittlerweile 8 Initiativen u. 2 Einzelmitglieder und versteht sich als Sammelbecken politischer Arbeitsloseninitiativen nach innen und als unabhängige Selbstvertretung der Arbeitslosen nach außen. Seit November 2005 ist auch der "Grazer Stammtisch für Erwerbs-Arbeitslose" Mitglied in diesem Netzwerk. Wir arbeiten unmittelbar an Aktivitäten und Inhalten mit, der Verein hat bereits eine Erwerbsarbeitslosenkonferenz in Wien organisiert, bei der mehr als 200 Betroffene aus ganz Österreich zum Erfahrungsaustausch zusammenkamen.

Des weiteren waren wir beim von der AK Wien (gedifo) und der "ArbeitslosensprecherIn" im April 2005 veranstalteten Kongress "(K)Eine Lobby für Arbeitslose?" vertreten.

Der kontinuierliche Austausch mit anderen Arbeitsloseninitiativen in Österreich findet sowohl ständig, hauptsächlich via e-mail, als auch bei Zusammenkünften in unregelmäßigen Abständen statt: Trotz moderner Kommunikationstechnik und mannigfaltiger Teilnahme (allein in österreichische drei verschiedene E-mail-Foren) stellten sich gelegentliche persönliche Treffen als unentbehrlich heraus.

Gesamtösterreichische Auswirkungen kann auch das von uns eingeleitete – und von der steirischen Arbeiterkammer dankenswerterweise unterstützte – Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof wegen "fehlender bzw. mangelhafter Begründung seitens des AMS bei Leistungssperren". Das Urteil, dass jenseits des Einzelfalls die diesbezügliche, allgemeine Bescheidpraxis des AMS betrifft, steht noch aus ...

Treffen auf europäischer Ebene:

Bei der vom EAPN (European Anti Poverty Network) organisierten 4. internationalen Konferenz von Menschen mit Armutserfahrung (10. + 11. Juni in Brüssel) trafen sich 170 TeilnehmerInnen aus 24 europ. Ländern zum Erfahrungsaustausch. Schwerpunkt der Debatten war die Einbeziehung der Betroffenen in Maßnahmen der Armutsbekämpfung, die nationalen Aktionspläne (NAP) und ihre Reichweite. Romana Scheiblmaier war Mitglied der österreichischen Delegation.

 

VERANSTALTUNGEN:

Außerdem Teilnahme im Publikum bei zahlreichen Veranstaltungen, etwa bei Vortrag&Workshop des "Arbeits-Philosophen" Frithjof Bergmann (im April 2005 Uni-Graz, Resowi-Zentrum) oder beim ExpertInnengespräch: "Menschenrechte statt Armutsfallen: Arbeitslosigkeit und prekäre Arbeitsverhältnisse in Österreich." (24. November 2005 im ETC Human Rights & Democracy, Schubertstraße 29/I A-8010 Graz.)

 

PUBLIKATIONEN

Artikel, Leserbriefe und Projektbeschreibungen in Printmedien:

anlässlich des im März 2005 erschienenen Bericht zur sozialen Lage .

ausreißer, Grazer Wandzeitung, 4/2005 (April)

guernica, Zeitung der Werkstatt Frieden und Solidarität, Linz, 3/2005 (Mai)

Ut.: Arbeitslose werden – wie andere sozial Schwache auch – systematisch diskriminiert

ausreißer, 7/2005 (November)

guernica, 6/2005, (November)

guernica, 6/2005

Ut.:Patentrezepte der Funktionseliten, ZeitungsredaktuerInnen & Co "gegen die neue Arbeitslosenplage" (W. Simonitsch, Kleine Zeitung vom 2.1.06)

ausreißer, 8/2006 (Jänner), alle ausreißer-Texte auch im Internet unter http://kig.mur.at

ausreißer, 9/2006 (April)

im Rundbrief des "Fonds neue Arbeitsplätze", Caritas (3/2005)

Sonntagsblatt v. 11.6.2005

* Rundbrief der "Sozialplattform Oberösterreich" im April 2005 (Anlass: "Tag der Arbeitslosen", 30. April)

* Rundbrief des "Fonds neue Arbeitsplätze", Caritas (2/2005, 4/2005)

* Grazer Stadtblatt, November 2005

* Wir vom Denggenhof, Stadtteilzeitung, November 2005

* sale aktuell, 3/2005

* die arbeit, GLB im ÖGB

* Leserbrief in der "Kleinen Zeitung" v. 7.1.2006

elektronisch:

Kurzbericht auf steiermark 1 TV (Privatfernsehen): Interview und Bekanntgabe AL-Stammtisch + Einzelberatung

www.fetzen.net (eigene homepage, mit Infos, Tipps, Links und Texten)

wöchentliche Radiosendung "Arbeitslosenstammtisch" auf radio helsinki

im März jeweils Freitags von 11-12 Uhr (seit März 2006)

 

WEITERE AKTIVITÄTEN:

Karl-Heinz Snobe (AMS-Landesgeschäftsführer) und Herbert Buchgraber (Ombudsmann) sowie Helmut Pichler (Grazer Geschäftsführer)

ÖGB und Ilse Löwe-Vogl (AUGE) und Gerhard Winkler (ÖGB-Bildungsreferent)

Die AUGE (Fraktion der Alternativen und unabhängigen GewerkschafterInnen in der steirischen AK) brachte durch unsere Initiative in der Ak-Vollversammlung einen Antrag "Unterstützung von Diskussions- und Organisationsstrukturen für erwerbsarbeitslose Menschen" ein. Dieser wurde aber in den AK-Sozialausschuss zur weiteren Diskussion geleitet und dort schließlich abgelehnt. Der Referenten des Ausschusses, Dr. Bartosch (Stellv. Direktor der AK Steiermark) gewährte uns aber als VertreterInnen des Arbeitslosenstammtisches ein Gespräch:

Mit Wolfgang Bartosch (Stellv. Direktor der AK Steiermark), Peter Pratl (Leiter Sozialrecht) und dem für die Arbeitslosen zuständigen Horst Barwinek bzgl.: Verstärkte Einbindung Betroffener (Erwerbsarbeitsloser) in die Institution steirische AK.

Thema: Demokratie = Beteiligung? Bzgl. Armut und Ausgrenzung; wurde von zwei Parteien (SPÖ + Die Grünen) dankenswerterweise beantwortet.

 

Fazit und Ausblick:

Wir sind überzeugt, dass eine spürbare Verbesserung der Lage sozial schwacher Menschen allgemein und der Arbeitslosen im Besonderen nur über vermehrte, verbesserte demokratische Mitsprache der Betroffenen - bei den jeweiligen demokratischen Institutionen, Interessenvertretungen, bei denjenigen, die Gesetze und andere Spielregeln (mit)gestalten -, zu erreichen ist.

Es geht hier übrigens keineswegs um eine (Neu)Gewichtung von Elementen direkter und indirekter Demokratie, sondern um die Ermöglichung von ("echter") Beteiligung Betroffener - was ja wohl beide Formen, die direkte und die indirekte Demokratie, gewährleisten müssen. Ein Repräsentationssystem für Organisierung, Diskussion und repräsentative Meinungsbildung sowie schließlich (Interessen)Vertretung, ist auch für sozial schwache Menschen (bzw. einzelne Gruppen á la Erwerbsarbeitsloser) in jedem Fall gesellschaftlich unersetzbar!

Warum wir zu dieser Überzeugung gelangt sind? Weil die schlechte materielle und ideelle Situation sozial schwacher Menschen (Randgruppen) in einer reichen Gemeinschaft nicht "die Diskriminierung" darstellt, sondern bereits deren Ergebnis ist. Diskriminierung heißt weniger gehört zu werden als andere: entweder weniger eingebunden sein, weniger "gefragt werden", oder weniger ernst genommen zu werden, nicht auf gleicher Augenhöhe zu stehen. Das wiederum widerspricht gleich von Anfang an dem Recht auf Gleichheit (bei den demokratischen Rechten) und im Ergebnis zahlreichen Menschenrechten:

Allen voran das Recht auf Existenzsicherung, soziale Teilhabe, aber freilich auch auf Gesundheit und Unversehrtheit, Selbstbestimmung (Würde) etc.

Spürbare und bleibende Verbesserung der Lage erreichen wir als Gesellschaft nur, wenn wir ernsthaft versuchen, die Ursache, also die Diskriminierung zu beseitigen! (und nicht überlegen, wie wir im Detail die (schlechte materielle und ideelle) Lage der Diskriminierten - da und dort - verbessern können.

ZIEL: Die ERMÖGLICHUNG und VERBESSERUNG der BETEILIGUNG der BETROFFENEN, gleichberechtigt bei Problemlösung und Gestaltung künftiger Spielregeln mitzuentscheiden!

Um dieses Ziel zu verfolgen, braucht es Mittel. Ein bis zwei Teilzeitstellen sind dafür – neben bescheidenen Sach- und Infrastrukturkosten – das absolute Minimum. Gerade bei der Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur eigenen Homepage waren die Minimalressourcen besonders spürbar, was ein "breiter", ein hörbarer Werden empfindlich verlangsamte. Nichts desto trotz hatten wir nicht nur Gehör in der Öffentlichkeit und das Gefühl, ein aktuell brennendes Thema zu behandeln, sondern auch viele bestärkende Erlebnisse von Mensch zu Mensch und empfinden daher die Verlängerung dieses Projekts als ebenso wichtig wie interessant.

Wir danken schlussendlich den UnterstützerInnen des ersten Projektjahres:

 

 

Projektverantwortliche & Kontakt:

Wolfgang Schmidt: Tel. 0699/ 81 78 73 08, e-mail: wodt_@web.de

Romana Scheiblmaier

 

Projektbericht

KONSTRUKTIVE ARBEITSLOSIGKEIT

Verein fetzen

 

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