kurz gesagt: die meisten arbeitslosen, insbesondere frauen, arbeiten - "nur" nicht bezahlt (das soll übrigens auch das Wort "erwerbs-arbeitslos" ausdrücken).
so unterschiedlich und vielfältig wie die menschen sind auch die "arbeitslosen": während die einen leiden, nichts zu tun haben, gibt es für andere genug zu tun und wieder andere leiden nicht unter dem nichts-zu-tun-zu-haben ...
und manche meinen gar, es sei kein wunder, dass es bei unsrem, besser: durch unser system zu wenig arbeitsplaetze gibt:
Das Recht auf Faulheit
Der Verkauf der Ware Arbeitskraft wird durch Rationalisierungsprozesse
in der Industrie immer überflüssiger und schwieriger. Trotzdem reden PolitikerInnen
aller Couleur der Vollbeschäftigung (40-Stunden-Woche) das Wort. Die Industrie
will Arbeitszeiten sogar verlängern (Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer
fordern in Österreich bis zu 10 Stunden Normalarbeitszeit täglich - OHNE Lohnausgleich)[1], und kommt wie üblich mit der Keule "Standortsicherung"
daher.
Dazu kommt noch das System der Repression gegen all jene, die im Konkurrenzkampf
um die raren Arbeitsplätze nicht mitkommen: Zumutbarkeitsbestimmungen für
Arbeitslose werden radikal verschärft - jeder noch so miese, schlecht bezahlte
Job muss in Deutschland bereits angenommen werden oder das Arbeitslosengeld
wird ausgesetzt. Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden im Hartz-Programm zusammengelegt
(was bedeutet, dass Menschen mit weit weniger Geld auskommen müssen), auch
in Österreich droht eine Zusammenlegung von Notstands- und Sozialhilfe (im
Regierungsprogramm angedacht; die durchschnittliche Sozialhilfe liegt zwischen
370 und 580 Euro monatlich; SozialhilfebezieherInnen tauchen in keiner Arbeitslosenstatistik
mehr auf!).
Lohn-Arbeit und Kapital sind zwei Seiten einer Medaille
Menschliche Arbeitskraft ist im kapitalistischen System eine Ware wie
jede andere auch. Eine gemeinsame Bestimmung über Sinn und Zweck des eigenen
Tuns, Mitbestimmung über qualitative Inhalte der Produktion sieht der Kapitalismus
nicht vor. Was zählt, ist der optimale Verkauf der Ware Arbeitskraft, die
notwendig ist, um Mehrwert (Profit) zu produzieren, ihre "Verwurstung
zur Geldmaterie".[2] Das dadurch angesammelte Kapital muss in einem
irrationalen Selbstzweck immer wieder neu verwertet werden. Was, wofür und
mit welchen Folgen (für Mensch und Umwelt) produziert wird, ist von diesem
Standpunkt aus egal. Hauptsache, es rentiert sich, Hauptsache wir haben ein
Wirtschaftswachstum.
"So werden trotz Bedarf keine
Häuser gebaut, wenn kein Geld da ist, obwohl es Menschen gibt, die das notwendige
Wissen und die Zeit haben, und obwohl reichlich Rohstoffe und Maschinen zur
Verfügung stehen. Arbeit hat also objektiv den Erwerb von Geld zum Ziel und
nicht die Befriedigung konkreter Bedürfnisse. Arbeit und konkrete Bedürfnisse
sind (im Kapitalismus) dem Diktat der Finanzierbarkeit unterworfen."[3]
Karl Marx kritisierte, "dass in allen bisherigen Revolutionen die Art der Tätigkeit stets
unangetastet blieb und es sich nur um eine andere Distribution dieser
Tätigkeit, um eine neue Verteilung der Arbeit an andere Personen handelte,
während die kommunistische Revolution sich gegen die bisherige Art der
Tätigkeit richtet, die Arbeit
beseitigt und die Herrschaft aller Klassen mit den Klassen selbst aufhebt (...)."[4]
Damit meinte Marx natürlich nicht, dass in einer befreiten, gerechten
Gesellschaft niemand mehr arbeiten muss. Ihm ging es darum, dass menschliche
Tätigkeit der Befriedigung konkreter Bedürfnisse dienen soll, und nicht der
Anhäufung von Kapital.
Paul Lafargue, ein enger Freund und Schwiegersohn von Karl
Marx, Mitglied der 1. Internationalen ArbeiterInnenassoziation, kritisierte
in seiner erstmals 1880 veröffentlichten Polemik "Le droit à la paresse"
(Das Recht auf Faulheit)[5] die
Arbeit-Sucht als "ein verderbliches Dogma" der Priester, Ökonomen und Moralisten, von dem
die ArbeiterInnenklasse sich verführen lässt. Die kapitalistische Fabrik,
die in ihrer "Gier nach menschlicher Arbeit" Männer, Frauen und
Kinder (selbst diese mussten im 18. und 19. Jahrhundert in Europa für einen
erbärmlichen Lohn in Fabriken und Bergwerken bis zu 16 Stunden täglich arbeiten)
schamlos auspresst, töte alles Menschliche ab.
"Arbeitet, arbeitet,
Proletarier, vermehrt den gesellschaftlichen Reichtum und damit euer
persönliches Elend. Arbeitet, arbeitet, um, immer ärmer geworden, noch mehr
Ursache zu haben, zu arbeiten und elend zu sein. Das ist das unerbittliche
Gesetz der kapitalistischen Produktion."[6]
Lafargue sah einen ursächlichen Zusammenhang der Arbeitsucht mit den
von der kapitalistischen Produktionsweise verursachten Krisen.
"Dadurch, dass die Arbeiter
den trügerischen Reden der Ökonomen Glauben schenken und Leib und Seele dem
Laster Arbeit ausliefern, stürzen sie die ganze Gesellschaft in jene industriellen
Krisen der Überproduktion, die den gesellschaftlichen Organismus in Zuckungen
versetzen. Dann werden wegen Überfluss an Waren und Mangel an Abnehmern die
Werke geschlossen, und mit seiner tausendsträhnigen Geißel peitscht der Hunger
die arbeitende Bevölkerung. Betört von dem Dogma der Arbeit sehen die
Proletarier nicht ein, dass die Mehrarbeit, der sie sich in der Zeit des angeblichen
Wohlstandes unterzogen haben, die Ursache ihres jetzigen Elends ist(...)."
Menschenverachtendes System
Anstatt eine gerechte Verteilung der Produkte und des Reichtums und
eine "allgemeine Belustigung" (Faulheit und Muße) in den Zeiten der
Krise zu fordern, verkaufen diese "Elenden" (Lafargue) lieber ihre
Arbeitskraft um die Hälfte billiger.
"Und die Herren industriellen Menschenfreunde benutzen die
Arbeitslosigkeit, um noch billiger zu produzieren."
"Vordenker" in England, dem "Mutterland des
Kapitalismus" wollten alle, die trotzdem keine Arbeit finden, die
"übriggebliebenen" Armen, in Arbeitshäuser, die idealerweise
"Häuser des Schreckens" sein müssten, einsperren.[7]
Jene Menschen, denen gar nichts anderes übrig bleibt als ihre
Arbeitskraft billiger zu verkaufen (MigrantInnen) werden heute zu Sündenböcken
gemacht, anstatt das System der Ausbeutung an sich in Frage zu stellen, und
"ArbeiterInnenparteien" setzen sich dafür ein, dass wir nicht von
"Billigarbeitskräften" "überschwemmt" werden.
Lohn-Arbeit wird obsolet
"Nach dem Zweiten Weltkrieg
konnte es für einen kurzen historischen Augenblick so scheinen, als hätte sich
die Arbeitsgesellschaft in den fordistischen Industrien zu einem System
"immerwährender Prosperität" konsolidiert, in dem die Unerträglichkeit
des zwanghaften Selbstzwecks durch Massenkonsum und Sozialstaat dauerhaft zu
befrieden wäre.(...) Mit der dritten industriellen Revolution der
Mikroelektronik stößt die Arbeitsgesellschaft an ihre absolute historische
Schranke."[8]
Dass diese Schranke irgenwann erreicht werden musste, liegt im
unheilbaren Selbstwiderspruch des kapitalistischen Systems. Einerseits muss
massenhaft menschliche Arbeitskraft aufgesaugt werden, andererseits erzwingt
das Gesetz der betriebswirtschaftlichen Konkurrenz eine permanente
Produktivitäts-Steigerung bei der menschliche Arbeitskraft durch Maschinen
ersetzt wird.
Wer die auf den Markt geworfenen Waren noch kaufen soll, wenn immer
mehr Menschen sich diese nicht mehr leisten können, steht auf einem anderen
Blatt.
"Was die Arbeiter, verdummt
durch ihr Laster, nicht einsehen wollen: man muss, um Arbeit für alle zu haben,
sie rationieren wie Wasser auf einem Schiff in Not."
Was Lafargue bereits 1880 forderte (3 Stunden Arbeit täglich genügen!),
gilt heute mehr denn je. Und da Maschinen die meisten Arbeiten für uns
erledigen, wäre es heute leichter denn je, dass wir weniger Zeit mit
langweiligen Arbeiten vergeuden müssten, und mehr Zeit für das, was wir
wirklich gerne tun, hätten. Vorausgesetzt, das Zwangsystem der Lohnarbeit wäre
abgeschafft und der gesellschaftlich produzierte Reichtum gerecht verteilt.
Siehe: